Rhein Zeitung, Mittwoch, 25. April 2001 (RZ-Nr. 96)

"A Fairy Tale": Musik mit eigenem Konzept

Eine CD-Produktion von Carsten Braun aus Gemünden und Hunsrücker Musikern abseits aller Strömungen - Texte von Lewis Caroll verarbeitet

  Computer, Sequenzer und Drumloops lauten die Schlagworte, wenn es um moderne Musikproduktionen geht. Leider sind dabei immer häufiger junge Personen am Werk, die des Musizierens immer weniger mächtig sind. Beides geht ja auch nicht: Sich einerseits mit Computertechnik auszukennen und gleichzeitig über fundiertes musikalisches Handwerk zu verfügen.

Von Thomas Torkler

  Hunsrück. Es gibt sie noch, die "richtigen" Musiker. Carsten Braun ist so einer. Er spielt Keyboards und beherrscht das Spiel auf den Tasten - mit beiden Händen, ohne Begleitautomatik, Transposer und was es sonst noch so alles an technischem Schnickschnack gibt, der auch "Nichtmusiker" zu atemberaubenden Alleinunterhaltern macht.
  Dass es auch ohne Wundertechnik gelingt, tolle Klänge zu produzieren, zeigt eine CD, die Hunsrücker Musiker unter dem Namen "The Snakes Progress" abgeliefert haben: "A Fairy Tale - Overture & Fugue - Caught By The Moon" ist ein Mammutwerk, in dem nicht nur unglaublich viel Arbeit steckt, sondern das darüber hinaus etwas völlig Eigenständiges darstellt.
  Carsten Braun aus Gemünden hat Musik und Konzept erarbeitet. Der 23-jährige ist dabei offensichtlich nach dem Prinzip "erlaubt ist, was gefällt" vorgegangen. So finden sich auf der CD Stilistiken, die normalerweise nichts miteinander am Hut haben: Barockklänge mischen sich mit Rocksounds, orchestrale Passagen wechseln ab mit knackigen Schlagzeug-Grooves.
  Und dazwischen - noch ´ne Besonderheit - gibt es Texte, mal gesungen von Michael Eckes, mal gesprochen von Sybilla Braun. Gedichte aus "Alice´s Adventures in Wonderland" sowie "Through The Looking Glass" von Lewis Caroll (1832 - 1898) fanden dabei Verwendung.
  Komplettiert wird das Line-Up der Akteure neben Keyboarder und Komponist Carsten Braun durch Roman Fuchß (Gitarren und Bass), Tilo Fuhrmann (Violinen und Streicherarrangements), Volker Prinz (Posaune) und Tim Greiner (Schlagzeug, Klarinette, Flöte, Gitarre, Bass, Keyboards und Effekte), der auch als Komponist beteiligt war. Der Background-Chor setzt sich aus Jan Behrensmeyer, Carsten Braun und Klaus Pohl zusammen.
  Aufgenommen haben die Musiker von März 1999 bis Februar 2001 in eigener Regie. Eine lange Zeit, doch wenn man das Ergebnis hört, erkennt man warum. Das Gesamtwerk ist derart komplex und aufwendig gestaltet, dass die Arbeit nur nach und nach bewältigt werden konnte.
  Herausgekommen ist ein Album, dass sich von seiner Machart an den großen Konzeptplatten vergangener Tage orientiert, wie Mike Oldfields "Tubular Bells" oder die langen Werke von Emerson, Lake and Palmer oder Yes. Musikalisch hat "A Fairy Tale" damit jedoch wenig gemein, ausser dass man die Musik nicht im Vorübergehen konsumieren kann. Man muss schon zuhören. Lässt man sich darauf ein, entdeckt man viele Dinge, die Spaß machen.
  Am meisten Spaß macht jedoch, dass hier junge Musiker, die ihre Instrumente beherrschen, konsequent ihr Ding machen, ohne Rücksicht auf aktuelle Strömungen - und das ist zwischen all dem ewig gleich klingenden Hip-Hop-Gerappe nicht hoch genug einzuschätzen.

 

 

 

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